Geschichte des „Welt-Theaters“
►1908
Erste Erwähnung des Kinos im schriftlichen Nachlass der Stadt. Willi Schlau eröffnet das Haus als „Kinosalon Welt-Theater“ in der „Zentralhalle“ auf der Inneren Freiberger Straße 55.
►1913
Der Chemnitzer Erich Herrmann übernimmt das Kino und führt es fortan nur noch unter dem Namen „Welt-Theater“. Schon nach kurzer Zeit wird er von den Einwohnern bezeichnend „Kino-Herrmann“ genannt und ist mit seinem Filmtheater außerordentlich erfolgreich. Bis Ende der 20er Jahre muss sich
„Kino-Herrmann“ immer wieder gegen die Konkurrenz neu entstehender Kinos in der Stadt durchsetzen, was ihm perfekt gelingt.
►1930
Wohl wegen seines florierenden Kinobetriebes und der Einzug haltenden Tonfilmtechnik eröffnet Herrmann um 1930 am Kirchplatz ein zweites Kino.Die „Apollo-Lichtspiele“. Außerdem plant er eine deutliche bauliche Vergrößerung des „Welt-Theaters“, was zum Zerwürfnis mit seiner Vermieterin führt.
►1937
Nachdem „Kino-Herrmann“ spätestens 1936 das alte „Welt-Theater“ aufgibt, entschließt er sich zum Kauf der ehemaligen Frankenberger Gasanstalt auf der Freiberger Straße 20. Er läßt den Gebäudekomplex zum Großkino mit mehr als 650 Sitzplätzen umbauen. In prachtvollem Nostalgiestil der Zwanziger Jahre weiht er am 17. Dezember 1937 das neue „Welt-Theater“ ein.
►1945-47
In den Jahren 1944/45 schließt das Haus. Die russische Militärkommandantur enteignet Herrmann. Er bleibt jedoch der Filmtheaterleiter und eröffnet das
Kino 1946 erneut. Kurt Siegfried Hanitzsch wird der erste Nachkriegsfilmvorführer. Die Hauptfront des Gebäudes wird zum ersten Mal mit dem historischen Schriftzug „Welt-Theater“ komplettiert. Der sog. „Stalinkult“ hält auch im „Welt-Theater“ Einzug und führt zu überwiegend sowjetischer Filmkultur.
►1950-53
Der Maschinenraum samt Ernemann-Projektoren wird generalüberholt. Günter Koppehel wird zweiter Filmvorführer. Erich Herrmann zieht sich in der Folgezeit aus dem Filmgeschäft zurück. Er stirbt Ende der 50er Jahre. Mit dem Rückzug Herrmanns endet auch die Existenz der „Apollo-Lichtspiele“.
►1958
Filmvorführer Hanitzsch verabschiedet sich vom „Welt-Theater“. In den Folgejahren führt Koppehel das Haus längere Zeit ganz allein. Es entsteht das legendäre Kinolichtbild.
„An der Bildtonmaschine Günter Koppehel“.
►1969
Im „Welt-Theater“ findet die Uraufführung des DEFA-Märchenfilms „Wie heiratet man einen König“ statt. Regisseur Rainer Simon und die Schauspieler sind anwesend.
►1976
Das Kino bekommt einen neuen Filmtheaterleiter: Heinrich Kumfert aus Chemnitz.
►1977
Das „Welt-Theater“ wird komplett saniert. Als zweites Kino in Sachsen erhält das Haus eine komfortable „Visionsbar“, die man unter den Rang baut. Die Bühnentechnik wird vollständig modernisiert. Filmvorführer Koppehel bekommt neue Filmprojektoren aus der „Dresden D2“-Serie. Das Theater verfügt nunmehr über 366 Sitzplätze und 18 Visionsbarsessel. An der Hauptfront des Gebäudes wird ein aufwendiger Neonlicht Schriftzug „Welt-Theater“ installiert.
►1990
Die Bezirksfilmdirektion, unter dessen Aufsicht das Filmtheater betrieben wurde, löst sich nach dem Ende der DDR auf. Das Personal des Kinos wird größtenteils entlassen. In der Folgezeit lernt Günter Koppehel als seinen Nachfolger Thomas Abel aus Dresden an. Danach verlässt Koppehel „sein“ Kino für immer. Neuer Chef und Filmvorführer in einer Person ist nun Thomas Abel.
► 1993
In dieser Zeit wird das Haus nach den Plänen Abels umgebaut. Der große Saal wird verkleinert, die „Visionsbar“ entfernt. Der Rang wird zugemauert. Am Ende des Umbaus sind drei kleinere Säle vorhanden. Der Neonlicht-Schriftzug verschwindet.Über dem Eingang ließt man nun
„Kinocenter Welt-Theater“.
►2007
Durch die Initiative des Frankenberger Bürgermeisters Thomas Firmenich geht das historische Lichtspieltheater in den Besitz der Stadt über.
►2009
Auch dem Blue-Café droht die Schließung. Den zugemauerten, aber noch existierenden Rang nutzt die junge Rockband „Billy Artist“ als Probenraum.
Die Frankenberger Arbeitsgruppe „Denkmaltag“ wird auf das Kleinod aufmerksam. Der in katastrophalem Zustand vorgefundene große Kinosaal wird wieder bespielbar gemacht. Am 12./13. September 2009 kehrt das „Welt-Theater“ in die Stadt zurück. Das Haus erlebt einen Besucheransturm ungeahnten Ausmaßes.
Am 03. November 2009 wird im Frankenberger Stadtarchiv mit 12 Kinofreunden die „Interessengemeinschaft „Welt-Theater Frankenberg/Sa.“ gegründet. Ihr Ziel ist die Rettung des historischen Filmtheaters. Die IG gibt ihrem Projekt den Namen Liebhaber-Kino „Welt-Theater“. Am 13. Dezember 2009 findet der 1. Kinotag statt.Das Interesse und die Hilfe der Bevölkerung sind überwältigend!
►2010
Zum Kinotag am 06. März 2010 wird das erste Mal seit zehn Jahren wieder ein Film im 35mm-CinemaSkope-Breitbildformat gezeigt. Blue-Café und Kino-IG betreiben das Haus nun gemeinsam.
Im Kino finden in dieser Zeit neben den klassischen Filmvorführungen auf 35 mm zahlreiche weitere Veranstaltungen statt. Thementage, Projekte, Physik-Unterricht, Schulkinowochen, Konzerte und Denkmaltage statt. Der MDR ist ebenso regelmäßiger Gast bei uns wie die Presse. Am und im Kino laufen zahlreiche Erhaltungs- und Sanierungsarbeiten. Dank der wundervollen Unterstützung der Stadt Frankenberg, der Vermietergesellschaft und nicht zuletzt ortsansässiger Firmen und Privatpersonen bekommt unser Kino 2013 ein funkelnagelneues Dach, das nicht nur das Publikum, sondern auch die historische Decke, die Thomas Zschemisch Paneel für Paneel in ehrfurchtgebietender Höhe repariert und gereinigt hat, vor Wind und Wetter schützt, eine restaurierte Fassade und Türen im historischen Stil. Die Ernemann-Projektoren werden um moderne digitale Technik ergänzt, die für Schulprojekte genutzt wird. Die Bühne wird aufwendig restauriert, 2019 zieht eine neue Leinwand ein, und bei jedem Besuch lässt sich so auch außerhalb des kleinen Museums auf dem Rang immer etwas Neues entdecken. Das Welt-Theater bleibt das Kino der Frankenberger – Sachspenden vom historischen Filmplakat bis zum Phonoschrank aus alten Tagen machen es möglich, dem Gebäude Stück für Stück immer mehr Regional- und Zeitgeschichte hinzuzufügen.
►2020
Die Corona-Pandemie macht auch unserer Kulturstätte sehr zu schaffen. Entsprechend der jeweils geltenden Verordnungen müssen nicht nur Schulen, sondern auch alle Kultureinrichtungen immer wieder wochen- oder monatelang geschlossen werden. Abstandregeln, Versammlungsverbote und weitere Beschränkungen sind eine nervenzerfetzende und kräftezehrende Herausforderung.
Dank einer beispiellosen Spendenaktion der Jungs der BBC gelingt es, so viele Spendengelder zu bekommen, dass das Bestehen unseres Kinos in dieser unglaublich schwierigen Zeit tatsächlich gesichert werden kann. Der Rückhalt durch Vermieter und Stadt tun ihr Übriges. - Dafür sind wir sehr, sehr dankbar.
Dennoch hält 2020 eine große Ehre für uns bereit: Das Kino wird einer der Programmpreisträger der Defa-Stiftung:
"Seit Jahren präsentiert das Welt-Theater im sächsischen Frankenberg anlässlich seiner Kinotage DEFA-Produktionen. Zum einen bilden Filme für Kinder und Jugendliche einen Schwerpunkt, zum anderen werden für ein interessiertes Publikum DEFA-Klassiker auf die Leinwand gebracht.
Das Welt-Theater, dessen Anfänge in der heutigen Spielstätte (der ehemaligen Frankenberger Gasanstalt) bis ins Jahr 1937 zurückreichen, wurde nach langjähriger Schließung 2009 neu eröffnet und wird seither von der Interessengemeinschaft Welt-Theater Frankenberg e.V. betrieben. Ab 2010 veranstaltet das Haus Kinotage, die jeweils auf Filme mit einem ausgewählten inhaltlichen Programm ausgerichtet sind. Ein ausverkauftes Kino ist dabei keine Seltenheit. Das wesentliche Charakteristikum der Filmaufführungen stellt die Projektion von 35mm-Kopien dar; DCP- oder gar DVD-Vorführungen liegen dem Welt-Theater fern. Erst 2019 wurde in dem historischen, denkmalgeschützten Gebäude die Bühne aufwändig restauriert sowie eine neue Leinwand installiert.
Das engagierte Team informiert die Zuschauer über Besonderheiten der Filmprojektion, wie etwaige Beschädigungen an Filmkopien und deren Ursachen und Hintergründe. Somit dienen Kinobesuche nicht nur dem Filmgenuss, sondern vermitteln zugleich praktisches Wissen über das Medium Film an sich.
Doch das Welt-Theater ist nicht allein auf Filmvorführungen spezialisiert, ein umfangreiches Angebot an Sprechtheater, Kabarett, Lesungen, Konzerten, Workshops und populärwissenschaftlichen Vorträgen runden das umfangreiche Programm ab; darüber hinaus dokumentiert eine Dauerausstellung Geschichte und Technik des Hauses.
Wir gratulieren dem Welt-Theater Frankenberg zum DEFA-Kinopreis und freuen uns auf zukünftige erfolgreiche Kinotage!"
Laudatio von Mirko Wiermann
https://www.defa-stiftung.de/stiftung/preise-und-foerderungen/preisverleihung-der-defa-stiftung/2020/
►2022
Das Kino darf endlich wieder ohne Einschränkungen betrieben werden. Dennoch ist die Pandemie nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Der Discobetrieb des Blue Café wird nicht wieder aufgenommen. Der Kinoverein hat großes Interesse an der weiteren Nutzung der nun vorerst nicht mehr betriebenen Räumlichkeiten im Foyer, welches sich für die kulturellen Veranstaltungen der IG Welt-Theater anbietet. Wir träumen immer lauter davon, auch dem Foyer Stück für Stück sein historisches Gesicht zurückzugeben. Die erste große „postpandemische“ Veranstaltung ist der Olsenbandentag, für den wir in erstmaliger Kooperation mit der SSA Chemnitz nicht nur den Fanclub, sondern sogar den letzten lebenden Olsenbandler – Jes Holtsø , bekannt als Sohn Børge – aus Dänemark nach Frankenberg holen. Holtsø und Wittrock spielen das erste Konzert vor ausverkauftem Haus nach der Pandemie in unserem Kino.
►2023
Die IG Welt-Theater nimmt die Herausforderung an, die die neuen Erfordernisse mit sich bringen. Das Liebhaberkino mausert sich zum KultUrgemütlichen LichtSpielHaus. Neue Konzepte müssen gedacht werden, um den Anforderungen der aktuellen Zeit, die sich neben Energiekrise, Klimawandel und Inflation auch in der Kostenexplosion im Bausektor zu manifestieren scheinen, solide begegnen zu können. Der Verein strukturiert sich wieder neu. Mit dem Film „Die Legende von Paul und Paula“ in dessen 50. Jubiläumsjahr beginnen wir im restlos ausverkauften Saal endgültig unsere nächste Kinorettung.